Lösungen per Künstlicher Intelligenz (KI) erobern die industrielle Produktion

14.02.2022

Maschinen lernen denken. Deep Learning ist eine Machine-Learning-Technik und die wohl bedeutendste Zukunftstechnologie innerhalb des Themenfeldes der Künstlichen Intelligenz. SICK hat schon viele Schritte in diesem Themenfeld gesetzt und verschiedenste Anwendungen entwickelt, die dem Kunden zusätzliche Nutzen für mehr Produktivität und Flexibilität bieten. 

Lösungen per Künstlicher Intelligenz (KI) erobern zusehends auch auf der Sensor-Ebene die industrielle Produktion. Welche seiner Sensoren hat Sick bereits mit KI-Intelligenz ausgestattet?

Rene Klausrigler, Market Product Management "Identification/Mesuring": Dafür bietet SICK eine spezielle SensorApp namens „Intelligent Inspection“ an. Die SensorApp basiert auf Deep Learning, eine Unterkategorie der künstlichen Intelligenz (KI). Die Deep-Learning-basierte industrielle Bildverarbeitung eignet sich besonders für Objekte mit unkalkulierbaren Eigenschaften wie z. B. natürlich gewachsene Objekte, verformte und defekte Objekte oder Objekte mit komplexen und unregelmäßigen Formen. Der beispielbasierte Deep-Learning-Ansatz ist intuitiv und vereinfacht die Anwendungsentwicklung. Die SensorApp Intelligent Inspection kann direkt auf allen InspectorP6xx 2D Vision-Kameras verwendet werden. Durch die Kombination von traditioneller maschineller Bildverarbeitung für die Qualitätsinspektion (Quality Inspection App) mit einer leistungsstarken erweiterten Deep-Learning-Funktion eröffnet die Intelligent Inspection App Anwendern neue Möglichkeiten zur Automatisierung anspruchsvoller Prüfaufgaben, die bisher nicht möglich waren. Benutzer können leicht Daten zum Trainieren des neuronalen Netzes sammeln und das trainierte Netzwerk direkt auf dem Sensor und ohne zusätzliche Ausstattung einsetzen. Zudem sind herkömmliche regelbasierte Softwaretools zur industriellen Bildverarbeitung verfügbar.

Bildverarbeitungs-Klassifizierungen mit künstlicher Intelligenz können einfach eingerichtet und über das gesamte Portfolio der SICK InspectorP6xx-Vision-Sensoren ausgeführt werden. Der neu vorgestellte, ultrakompakte InspectorP61x ist der derzeit kleinste Vision-Sensor, bei dem Deep Learning direkt im Gerät läuft. Die Möglichkeiten zur intelligenten Inspektion erstrecken sich bis hin zum robusten InspectorP65x mit seiner besonders hohen Auflösung und seinem erweiterten Sichtfeld. Neben der InspectorP6xx Familie ist es auch möglich, die Intelligent Inspection App auf unseren Controllern (SIM‘s – Sensor Integration Machines) laufen zu lassen. Dies findet Anwendung, wenn z.B. in der Applikation das Objekt von mehreren Seiten betrachtet werden muss. Hierzu verwenden wir unsere 2D Streaming Kameras der Serie Midi und Pico Cam.

 

Zu welchen Applikationen kann Sick seinen Kunden bereits sensorgestützte KI-Hilfe bieten?

Matej Nujic, Marketing Product Specialist Industrial Vision & Systems: Die meisten Kundenanfragen kommen aus der Fertigung oder optischen Qualitätskontrolle. Ein Sensor lernt, verarbeitet die Informationen und eignet sich eine Funktionalität an, um eine angepasste Lösung für das gestellte Problem zu finden. Solche Lösungen zeigen, dass sich die künstliche Intelligenz und die Sensorintelligenz immer näherkommen und gemeinsam Industrie 4.0 vorantreiben. Applikationen, für die es bisher sehr schwierig war, gleichbleibend stabile und wiederholbare Qualitätsprüfungen zu erreichen, können nun mit der SICK Intelligent Inspection SensorApp mit hoher Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit gelöst werden. Damit werden auch komplexe Bildverarbeitungsaufgaben praktikabel und erschwinglich. 

Deep Learning ist ja ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz – können Sie zu Deep Learning die technologische Abfolge auf der Sensor- und IT-Ebene kurz umreißen?

Klausrigler: Mit dem Intelligent Inspection-Bilderfassungstool sammeln Anwender zunächst Beispielbilder ihres Produkts unter realen Produktionsbedingungen. Diese laden sie dann einfach in das cloudbasierte dStudio von SICK hoch. In einem schrittweisen Prozess trainieren und bewerten sie mit diesem Tool ein neuronales Netz, das die Anforderungen der Inspektionsaufgabe erfüllt. Bei Bedarf können dann weitere Bilder hinzugefügt und ausgewertet werden, um das Ergebnis weiter zu perfektionieren.

Sobald der Anwender mit dem Ergebnis zufrieden ist, überträgt er das individuell trainierte neuronale Netz auf die SICK InspectorP6xx-Kamera. Hier kann die Kamera nun selbstständig Entscheidungen treffen, ohne dass eine weitere Cloud-Anbindung erforderlich ist. Die Bildinferenz wird direkt im Gerät durchgeführt – ein zusätzlicher PC ist also nicht erforderlich. Da das Systemtraining in der Cloud stattfindet, ist auch keine separate Trainingshard- oder -software erforderlich. Dies spart Zeit und Kosten bei der Implementierung.

Durch das Trainieren von realen Beispielen, ist der Anwender in der Lage, die Eignung der Deep-Learning-Klassifikation für seine Anwendung zu testen, bevor er die zusätzlich erforderliche Lizenz erwirbt. Alternativ können auch traditionelle regelbasierte Bildverarbeitungswerkzeuge zusammen mit Deep Learning zur Lösung von Anwendungen eingesetzt werden. 

Prinzipiell steigert Deep Learning das Maschinenverhalten und damit können Produktionsabschnitte effizienter gestaltet werden. Welche Deep-Learning Projekte werden bei Sick bereits umgesetzt und mit welchen kann in naher Zukunft gerechnet werden?

Nujic: Wir liefern unseren Kunden mit vielen Anwendungen der KI den Schlüssel zum Eintritt in eine neue Ära der Sensorintelligenz. Damit bekommen sie die Möglichkeit, anspruchsvollere Aufgaben zu lösen, sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen, einfacher Muster zu erkennen – schneller und zuverlässiger als je zuvor. Wertvolle Daten werden von unseren Sensoren gesammelt und von unseren Algorithmen interpretiert. Kunden können so ihre Ressourcen konzentrieren und Arbeitsabläufe optimieren.

Hierzu zählen unter anderem die Überprüfung der Ausrichtung von Holzprofilen durch Erkennung der Jahresringstruktur, die Inspektion stark reflektierender Oberflächen, wie z.B. Baugruppen mit Metallteilen, die Klassifizierung von Objekten mit geringen Unterschieden innerhalb einer Klasse, wie z.B. Lebensmittel, oder die Prüfung der Integrität von Lot in oberflächenmontierten Baugruppen und vieles mehr. Derzeit arbeiten wir an einem neuronalen Netzwerk, um „Anomalien“ zu erkennen. Diese Algorithmen eignen sich besonders gut, um Oberflächeninspektionen durchzuführen.
 
Hier ein realisiertes Projekt im Bereich Lebensmittel: Automatisierter Programmwechsel an der Flaschenreinigungsmaschine

Die 2D-Vision-Kamera InspectorP621 in Kombination mit der SICK AppSpace SensorApp Intelligent Inspection ermöglicht eine Klassifizierung des Flaschenstroms nach Neu- und Altglas im Zuführungsbereich der Reinigungsmaschine. Hierzu werden in der Cloud neuronale Netze anhand von Beispielbildern trainiert. Die Auswertung der Bilder erfolgt durch den intelligenten Algorithmus direkt in der Kamera.

So ermöglicht InspectorP621 ein automatisiertes Umschalten zwischen den verschiedenen Programmen für Neu- und Altglas und damit einen optimierten Wasserverbrauch der Maschine. Außerdem lassen sich Störungen im Zuführbereich reduzieren, die Bedienereingriffe notwendig machen. Das spart Kosten und erhöht die Maschinenverfügbarkeit.

Im SICK AppSpace können Entwickler eigene SensorApps erstellen. Für welche Branchen ist der SICK AppSpace interessant und wie aufwändig muss man sich die App-Kreierung vorstellen?

Klausrigler: Vision-Lösungen, die auf unserem Eco-System SICK AppSpace basieren, helfen unseren Kunden, einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft und Industrie 4.0 zu machen. Mit SICK AppSpace schaffen sie völlig neue und adaptive Lösungen für Automatisierungsanwendungen in den Bereichen Qualitätskontrolle, Positionierung, Roboterführung oder Track-and-trace, unabhängig von der Industrie.

Entweder konfiguriert der Kunde unsere gebrauchsfertigen Lösungen ohne die Hilfe eines Vision-Experten oder Programmierers selbst oder sie werden von SICK und seinen Partnern für ihn angepasst, um seine ganz spezielle Anwendung zu realisieren.

SICK AppStudio ist ein Softwaretool zur Entwicklung kundenspezifischer Applikationen auf programmierbaren SICK-Geräten. Unterstützte Programmiertechnologien umfassen einen grafischen Flow Editor und Lua-Script zur Erstellung der SensorApp, in naher Zukunft werden weitere 3rd-party Programmiersprachen (Python, C++,..) zur Verfügung stehen. Zur Konfiguration von AppTemplates ohne Programmierkenntnisse steht der Configurator View bereit. Die Einbindung von HALCON-Bildverarbeitungsprozeduren ist ebenfalls möglich. Integrierte Hilfsmittel wie Emulator, Debugger und Ressourcenmonitor sowie eine umfangreiche Dokumentation und DemoApps erleichtern den Entwicklungsprozess. Mithilfe des ViewBuilders kann für Maschinenbediener eine eigene Web-GUI erstellt werden. Der Vorteil von SICK AppSpace besteht darin, dass der Kunde ein konfigurierbares (easy to use) Produkt erwirbt und damit auch Standard Vision-tools, wie z.B. Objektfinder, Messfunktionen oder Mustervergleich, erhält. Ist dies für die Applikation nicht ausreichend, hat der Kunde die Möglichkeit, frei am Gerät zu programmieren und die Applikation individuell zu lösen (customization).

Wie aufwändig ist die Nutzung Ihrer Deep Learning SensorApp und können Ihre Anwender mit einer begleitenden Unterstützung von Sick dazu rechnen?

Nujic: Die Realisierung eines Deep Learning Projektes ist nicht sehr komplex, man spricht hier mehr oder weniger von konfigurieren und nicht von programmieren. Somit ist kein hohes Vision Know-how notwendig. Hat der Anwender bereits Erfahrung im Bereich der Bildverarbeitung, ist es nicht zwingend notwendig, dass wir hier unterstützen, aber natürlich bieten wir auch diese Serviceleistung an. Mit Hilfe des Gold Deep Learning Starter Packages werden unsere Kunden zu Profis für ihre Deep-Learning-Anwendungen. Dabei schult ein SICK-Experte den Kunden auf Inbetriebnahme von 2D-Vision-Sensoren und lehrt die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Neben den idealen Einstellungen für den Sensor und das Netzwerk gibt es viele Tipps und Tricks, zum Beispiel die Vorbereitung einer optimalen Datenbasis für das Training des neuronalen Netzes. Anschließend kann der Kunde mit Hilfe des Sensors Daten sammeln und das neuronale Netz idealerweise ganz allein trainieren. Damit wird ein effizienter Einsatz von Deep-Learning-Lösungen sichergestellt.

Das Interview führte Luzia Haunschmidt, Chefredakteurin x-technik-AUTOMATION und ist ursprünglich in der x-technik-AUTOMATION Sonderausgabe 1/2022 erschienen.

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